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Post-Market Surveillance für Medizinprodukte und IVD - Die Regulatorik in der Schweiz und ein Blick in die EU

16.07.2024
Textbild von PMS für IVD und Medizinprodukte - Regulatorik in der Schweiz und in der EU - von Metecon GmbH
Sie beschäftigen sich mit Post-Market Surveillance (PMS) für Medizinprodukte oder In-Vitro-Diagnostika (IVD) und sind unsicher, welche Anforderungen Sie in der Schweiz erfüllen müssen? Wir beleuchten für Sie die Bedeutung und Umsetzung von PMS unter der Schweizer Gesetzgebung, insbesondere im Kontext der regulatorischen Herausforderungen durch das Fehlen eines aktuellen Mutual Recognition Agreements (MRA) mit der Europäischen Union (EU).

Derzeit gibt es keine Anpassung von Kapitel 4 (Medizinprodukte) des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA, SR 0.946.526.81) an die Medical Device Regulation (EU) 2017/745 (MDR) und die In vitro Diagnostic Medical Device Regulation (EU) 2017/746 (IVDR). Dies stellt in der Schweiz ansässige Hersteller von Medizinprodukten und In-Vitro-Diagnostika vor neue regulatorische Herausforderungen. Auch europäische Hersteller müssen sich auf weitreichende Konsequenzen einstellen, wenn sie ihre Produkte auf dem Schweizer Markt vertreiben möchten.

Bereits 2023 haben wir Ihnen von den grundsätzlichen Konsequenzen der fehlenden Aktualisierung des MRA zwischen der Schweiz und der EU berichtet. Doch welche konkreten Auswirkungen hat diese fehlende Aktualisierung auf bestimmte regulatorische Anforderungen, wie z. B. im Bereich der Post-Market Surveillance (PMS)? Betrachten Sie gemeinsam mit uns, wie sich die regulatorischen Anforderungen entwickelt haben und welche neuen Herausforderungen auf Hersteller und andere Wirtschaftsakteure zukommen.

Regulatorische Anforderungen an Post-Market Surveillance

Post-Market Surveillance (PMS) ist eine grundsätzliche Anforderung an Hersteller von Medizinprodukten, weil sie sicherstellt, dass die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Produkte auch nach ihrer Markteinführung überwacht wird und notwendige Maßnahmen rechtzeitig eingeführt sind. Internationale Regulierungsbehörden, so auch Swissmedic, verlangen daher im Rahmen des Product Lifecycle Reporting von Herstellern ein umfassendes PMS-System, um genau diese Ziele zu erreichen.

Die regulatorischen Anforderungen für die Schweiz sind in der Medizinprodukteverordnung (MepV) aufgeführt, welche am 26. Mai 2021 in Kraft getreten ist. Ein Jahr später, am 26. Mai 2022, war Gültigkeitsbeginn für die schweizerische Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IvDV). Mit der Änderung der MepV am 01. November 2023 wurden auch die Übergangsfristen an die Vorgaben der EU angeglichen.

Die regulatorischen Anforderungen für Post-Market Surveillance werden in der Schweizer Gesetzgebung in der Medizinprodukteverordnung (MepV) im "7. Kapitel: Produktebeobachtung" zusammengefasst. Dabei zeigt sich eindeutig die starke Orientierung an der MDR. In der In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IvDV) sehen wir ein ähnliches Bild im "6. Kapitel: Produktebeobachtung" mit einer genauso starken inhaltlichen Nähe zur IVDR. Im Folgenden wollen wir uns als Beispiel die MepV Anforderungen für PMS im Medizinproduktebereich etwas genauer anschauen:

Wie auch die MDR verlangt die Schweizer Gesetzgebung ein System zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen als integralen Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems (QMS) des Herstellers. Dabei verweist die MepV hinsichtlich der Modalitäten des PMS-Systems auf Artikel 83 der MDR. Die Gründe für die Einrichtung eines PMS-Systems in der Schweiz sowie die Ziele, die damit erreicht werden sollen, sind somit dieselben wie in der EU.

Es ist im Vergleich der Schweiz mit der Europäischen Union lediglich eine Unterscheidung im Wortlaut zu beachten: In der Schweiz wird anders als in der EU der Begriff "Bezeichnete Stelle", und nicht "Benannte Stelle" verwendet. Die bezeichneten Stellen haben jedoch den gleichen Aufgabenbereich wie die Benannten Stellen in der Europäischen Union.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Datensammlung und Dokumentation

Auch hinsichtlich der Dokumentation orientiert sich die MepV an der MDR: Hersteller müssen einen PMS-Plan vorlegen, der detailliert die Methoden und Prozesse zur Überwachung der Produkte zeigt. Für Produkte der Risikoklasse I ist ein Bericht zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen zu erstellen und für höherklassifizierte Produkte ist ein Periodic Safety Update Report (PSUR) erforderlich, der eine umfassende Bewertung der Sicherheits- und Leistungsdaten enthält und regelmäßig aktualisiert wird (für Klasse IIa mindestens alle zwei Jahre, für Klasse IIb und III mindestens einmal jährlich). Hinsichtlich inhaltlicher Forderung verweist auch die MepV auf den Anhang III der MDR.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine veröffentlichten Leitlinien von Swissmedic zum Thema PMS, die weitere spezifische Hilfestellung zur Erstellung der schweizerischen PMS-Dokumente bieten. Die Europäische Union (EU) hingegen bietet mit dem MDCG 2022-21 bereits einen nützlichen Leitfaden als Unterstützung für die Erstellung des PSURs, der auch durchaus hilfreich für die Schweizer Gegebenheiten sein könnte. Auch in den weiteren Abschnitten der MepV zum Thema PMS ist die klare Orientierung an der MDR erkennbar. Genau wie in der EU wird in der Schweiz für Klasse III Produkte sowie implantierbare Produkte ein Sicherheitsbericht (Summary of Safety and Clinical Performance / SSCP) gefordert und simultan der bezeichneten Stelle zur Validierung übermittelt.

Aufgrund der deckungsgleichen inhaltlichen Ziele und Anforderungen an das PMS ist es möglich, die PMS-Berichtserstellung für die EU und die Schweiz zu synchronisieren und PMS-Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Auf diese Weise ist eine Verringerung des Aufwands für die Erstellung der Berichte möglich. In jedem Fall ist es notwendig, die Unterschiede zwischen den Datensätzen (z.B. Verkaufszahlen, Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld) herauszuarbeiten und zu strukturieren, sodass der Bericht für jeden Markt passende PMS-Daten, Analysen und Schlussfolgerungen zusammenfasst.

Unterschiedliche elektronische Systeme für Vigilanz und PMS

Auch wenn sich MepV und MDR sowie IvDV und IVDR inhaltlich stark ähneln, gibt es in der Umsetzung einen Unterschied: das elektronische System für Vigilanz und Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Die Europäische Union nutzt bereits einige Module ihrer European Database on Medical Devices (EUDAMED) und ist dabei, dieses elektronische System als Datenbank weiter auszubauen. Die Schweiz arbeitet seit 2022 an einem eigenen IT-System, der Swiss Database on Medical Devices (swissdamed) , die als elektronisches System EUDAMED in der Zielsetzung sehr ähnlich sein wird. Diese Datenbank wird planmäßig zwei Module enthalten: Das Actors Modul zur Registrierung von Unternehmen und Wirtschaftsakteuren und das Devices Modul zur Registrierung von Produkten. Die Registrierung von Wirtschaftakteuren soll ab August 2024 möglich sein, Medizinprodukte können voraussichtlich 2025 freiwillig registriert werden.

Anmerkung: Nach der Veröffentlichung dieses Artikels wurde das "Actors Modul" der swissdamed am 6.8.2024 online gestellt und ist nun verfügbar.

Dementsprechend sind Schweizer Hersteller, die auf beiden Märkten tätig sind, auch mit beiden Datenbanken konfrontiert, was für das PMS auch Auswirkungen in Form von Mehraufwand bedeutet. Auf dem Schweizer Markt bedeutet das konkret:
  • Gemäß Artikel 62 der MepV muss der Hersteller den PSUR der bezeichneten Stelle direkt zur Verfügung stellen. Des Weiteren prüft die bezeichnete Stelle bei Produkten der Risikoklasse III und implantierbaren Produkten den Bericht und dokumentiert die Ergebnisse in einem Prüfbericht. Eine zentrale Plattform, in der die Dokumente den jeweiligen Parteien übergeben werden, gibt es in der Schweiz somit nicht. Ein direkter und enger Austausch zwischen den Beteiligten ist damit unabdingbar.
  • In der Schweiz ist der Hersteller für die Publizierung des SSCP zuständig. Eine Veröffentlichung durch den Notified Body, wie es im EU-Raum über EUDAMED geplant ist, existiert in der Schweiz mit der swissdamed bisher nicht. Der Hersteller hat damit im Schweizer Raum eine zusätzliche Last dahingehend, dass er sich um eine geeignete Publikation kümmern muss.
Zum derzeitigen Zeitpunkt ist die Registrierung von Herstellern, die ihren Sitz außerhalb der Schweiz haben, als Wirtschaftsakteur in der Schweiz nicht gefordert. Sie müssen jedoch einen Schweizer Bevollmächtigten (CH-REP) benennen, der die Pflichten hinsichtlich der regulatorischen und sicherheitsrelevanten Aspekte der Produkte übernimmt, die in der Schweiz in Verkehr gebracht werden sollen. Die Metecon Schweiz GmbH mit Sitz in Bern ist bereits als CH-REP bei swissmedic registriert und kann diese Rolle für Sie übernehmen.

Vigilanz und Meldewesen

Die schweizerische Gesetzgebung verlangt die Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und in der Schweiz ergriffenen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld. Die Meldepflicht gemäß Artikel 66 MepV entspricht damit den Forderungen der MDR. Die Meldung erfolgt direkt an Swissmedic als zuständiger Behörde. Die Meldepflicht selbst sowie Ausnahmen zu dieser, die Modalitäten (z.B. Meldefristen), die Meldungen der periodischen Sammelmeldungen und die Trendmeldungen erfolgen inhaltlich ebenso in Anlehnung an die MDR. Da die Schweiz gegenwärtig auf den direkten Kommunikationsweg setzt, wird eine elektronische und maschinenlesbare Meldung in Artikel 66 der MepV regulatorisch gefordert. Swissmedic stellt den Herstellern entsprechende Formulare zur Verfügung.

Meldesystem in Spitälern

Hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf Artikel 67 der MepV, der das Meldesystem der Spitäler an die Swissmedic regelt. Hier wird von Gesundheitseinrichtungen ein etabliertes Qualitätsmanagementsystem (QMS), eine sachkundige Person (Vigilance Person) sowie eine Aufbewahrungspflicht von mindestens 15 Jahren verlangt. Solche oder ähnliche Forderungen finden sich in der EU-Gesetzgebung so konkret nicht wieder. Vielmehr ist dies eine Übernahme aus der vorherigen Version der MepV vom 01.01. 2002, die in Artikel 15 "Meldung schwerwiegender Vorkommnisse" die Meldepflicht von Fachpersonen und Spitälern nach Grundsätzen der Qualitätssicherung aufführte.

Die Umsetzung von PMS in der Praxis

Die Nähe der schweizerischen Gesetzgebung zur MDR birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Im Bereich der PMS wird deutlich, dass inhaltlich deckungsgleiche Anforderungen an das PMS-System sowie dessen Implementierung gestellt werden. Daher lohnt sich auch für die Dokumentation im Schweizer Raum ein Blick in die relevanten Leitliniendokumente der MDCG (Medical Device Coordination Group) für die EU. Insbesondere die MDCG 2022-21 zur Erstellung des PSUR sowie die MDCG 2019-9 zum SSCP sind hierfür eine gute Hilfestellung. Außerdem ist es möglich, die Berichtserstellung zwischen schweizerischen und europäischen Berichtsdokumenten zu koordinieren und somit die PMS-Aktivitäten aufeinander abzustimmen.

Auch wenn in der Theorie durch die Verwendung von EUDAMED bzw. swissdamed Unterschiede hinsichtlich des elektronischen Systems bestehen, kennen in der Praxis die meisten Hersteller im europäischen Raum den Ablauf im direkten Kontakt mit den Behörden und der Benannten Stelle bereits ohne Datenbank-Unterstützung, da die entscheidenden Module in EUDAMED noch nicht zur Verfügung stehen. Klare Prozessstrukturen im Bereich Vigilanz und Überwachung nach dem Inverkehrbringen sind wichtig, um sowohl im schweizerischen Raum als auch in der EU korrekt und fristgerecht agieren zu können.

Fazit

Auch wenn sich die Schweizer Regularien und diejenigen der Europäischen Union auf den ersten Blick sehr ähneln, lohnt sich auf jeden Fall der Blick ins Detail. Zwar können inhaltlich viele Parallelen gezogen werden, aber das Fehlen eines aktualisierten MRA mit der EU für den Bereich Medizinprodukte nach Einführung von MDR und IVDR birgt zusätzliche Arbeit für Hersteller, bezeichnete Stellen und andere Beteiligte. Dennoch ist die Möglichkeit gegeben, anhand der Forderungen der Schweizer Gesetzgebung und der vorliegenden Übergangsfristen die PMS-Datensätze und Berichtsdokumente zu synchronisieren.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Beitrag einen ersten Überblick für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen in der Schweiz verschaffen konnten. Wir helfen Ihnen gerne dabei, die regulatorischen Anforderungen im Bereich der Post-Market Surveillance sowohl für die Schweiz als auch für die EU korrekt abzubilden. Mit einem gut strukturierten Vorgehen kann es Ihnen gelingen, den Aufwand für Ihre PMS-Aktivitäten so gering wie möglich zu halten, ohne an Qualität einzubüßen oder Ihre Pflichten zu vernachlässigen.

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Claudia Möller
Claudia Möller
Regulatory Affairs & Technical Documentation
Metecon GmbH